„Familienforschung“ vor 250 Jahren
[…] Bei den verschiedenen Konzerten, an denen ich mich mit meinem Lehrer Freddi beteiligte, kam ich stets mit einem eleganten Abbé zusammen, der ein begeisterter Musik- und Kunstfreund war; er gab sich jedesmal alle Mühe, mich aufzusuchen und mir seine Freundschaft zu beweisen. Eines Tages sagte er zu mir: „Nicht wahr, Sie heißen Manlio (so nannten mich die Römer)?“
Ich erwiderte, daß mein Name im Deutschen „Mannlich“ ausgesprochen werde.
„Sie sind also ein Deutscher!“ sagte er mit Lebhaftigkeit.
„Ja, Herr Abbé.“
„Und aus welcher Provinz stammt Ihre Familie?“
„Aus Schwaben, der Stadt Augsburg.“
„Von ‚Augusta‘!“ rief er aus. „Sie sind Ihrer Herkunft nach Römer und stammen von Manlius ab, dem aus Rom Verbannten, dessen Nachkommen sich in einer römischen Kolonie in Deutschland niedergelassen haben. Die Endung „lich“ an Stelle des „lius“ ist nichts weiter als eine barbarische Sprechweise Ihres Landes. Nichts wäre leichter, als Ihre direkte Abstammung von diesem erlauchten altrömischen Patriziergeschlecht nachzuweisen. Wenn Sie sich also vier Zechinen für einen oder zwei alte Stammbäume, die sich schon finden würden, kosten lassen wollen, verpflichte ich mich, Ihnen ein Dokument im Stile und antiken Charakter zu liefern, dessen Unechtheit selbst der Teufel nicht nachzuweisen vermöchte. Im übrigen kann ich Ihnen versichern, daß ich bereits sehr viel andere mit weit geringerer Wahrscheinlichkeit zusammengestellt habe, als mir Ihre Augsburger Patrizierfamilie für das Ihrige an die Hand gibt.“
Ich lachte über das freundschaftliche Anerbieten des gelehrten Abbate, ohne es jedoch anzunehmen. Jetzt bereue ich es freilich. Denn um damit nur die Unechtheit gewisser anderer antiker Stücke beweisen zu können, hätte ich damals die vier Dukaten opfern sollen.
Quelle: Stollreither, E. (Hrsg.), Rokoko und Revolution. Lebenserinnerungen des Joh. Christian v. Mannlich 1741 – 1822 (Berlin 1913), 107f.